Beitrags-Archiv für die Kategory 'Musentempel'

Und dann war schon wieder alles rum und die Sommerseespiele Lausebach 2010 Historie

Sonntag, 5. September 2010 20:51

applaus

(Zögerlich und recht spärlich tröpfelnd erhob sich der Applaus aus den Reihen der Schauer. Man war sich nicht wirklich sicher. War es das? Das Ende? Die Bisamratte und ihr dreibeiniger Onkel zogen an mit dem Geklatsche. Sie waren müde und der Onkel hatte Phantomschmerzen im fehlenden Bein. Man wollte einfach nur nach Hause. Die Schwanenfamilie und ihre adoptierten Nilgansküken waren verunsichert. Man hatte eher etwas Leichtes zum Sommerausklang erwartet, eine Komödie mit Happyend und Patchworkfamilie oder ähnlichem Pilcherkram. Und jetzt? Verwirrendes, Orakel und zum Schluß ein schlichtes „Gute Nacht“? Seltsam! Ein dezentes Flügelschlagen schenkten sie dennoch der Kunst. Man konnte also nicht sagen, daß der Saal kochte und sich vor Begeisterung überschlug. Doch als den siebenundsiebzig Raben wieder einfiel, daß ja der Beelzebub eine nicht unerhebliche Rolle in dem so eben zu Ende gegangenen Spektakel gespielt hatte und sie daraufhin ihre insgesamt einhundertvierundfünfzig Schwingen gegeneinander schlugen und außerdem noch ein begeistertes Krächzen folgen ließen, war der Moment gekommen, in dem sich bei Archibald und dem Lütten Stan, die sich vorne an der Rampe brav verbeugten, so etwas wie Erleichterung breit machte. Man begann sogar miteinander zu tuscheln, obwohl dies der offizielle Mimenknigge strengstens verbietet. Nur Rampenschweinchen und eitle Zuneigungsbettler quatschen bei diesem Ritual des Dankes der Schauer an die Akteure. Doch sei es drum, sie sind ja noch Anfänger, die zwei Beiden.)

„Wer macht die Ansage, Herr Mahler! Du?“

„Wie? Was? Was war denn ausgemacht?“

„Nichts!“

„Jetzt lügen Sie aber, Herr von Lippstadt-Budnikowski!“

„Hier? Auf der Bühne? Niemals!“

„Gut! Dann macht die Ansage der Neue Chef der Öffentlichkeitsarbeit!“

„Wer ist denn das?“

„Der, der dumm fragt und der gerade zur Verfügung steht: also Sie!“

„Wären wir nicht an heiligem Orte, würde mir ein böses Wort aus den unschuldigen Lippen rutschen, Herr Mahler!“

(Das Publikum hat inzwischen, von den Mimen unbemerkt, seine Beifallsbekundungen eingestellt. Zwischenrufe sind zu vernehmen. „Gehört das Gemurmel noch zum Stück? Dann würden wir es auch gerne hören!“ „Wenn es dann wirklich mal zu Ende ist, kann man ja vielleicht ein Schild hochhalten! Wäre zumindest kundenfreundlich!“ „Oder einfach das Licht ausschalten! Dann weiß man Bescheid.“ Der Bär schiebt den Hasen also ein Stück näher an die Rampe. Mit liebevoller Gewalt, wie das Chefs eben gerne tun, wenn ihnen nichts anderes einfällt. )

„Ja, erstmal Danke. Sag ich mal. Wir freuen uns über alles, also über Sie und wir danken Ihnen auch fürs Kommen und Klatschen. Ja! Und dann soll ich noch sagen, das heißt, ich will es und freue mich auch sagen zu können: wir haben es gewagt und dann gemacht! Also die ersten Sommerseespiele Lausebach 2010! Und nächstes Jahr, also ob wir nächstes Jahr nochmal, dazu möchte jetzt der Erfinder und Spiritus rector der Festspiele, Herr Archibald Mahler, darstellender Bär vom Brandplatz, auch noch was sagen. Danke und bitte schön.“

(Der Lütte Stan tritt hinter seinen Chef zurück. Der wiederum sendet einen kurzen Satz an seinen Partner.)

„Wir sprechen uns noch, Du Schweinepriester!“

(Nun zum Publikum, lächelnd selbstredend, etwas verkrampft lächelnd, aber: lächelnd.)

„Ich möchte es kurz machen: Wir kommen wieder, keine Frage. Und jetzt kommen Sie gut nach Hause, bevor Freiherr Gottfried von Herbst das Fräulein Else Sommer endgültig vom Acker jagt. Und Hunger hab ich jetzt auch und noch was: ohne meinen kongenialen und Gott sei Dank im richtigen Momenten renitenten Partner, den ehrenwerten Herrn von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln hätte ich das Ganze nicht gebacken bekommen. Danke und Tschühüß!“

(Schwer fällt eine Bärenpfote auf die schmalen Schultern des Lütten Stan. Umarmungen. Feuchte Äuglein. Abgang der Schauer. Endlich. Auftritt Ernst Albert und Eva Pelagia mit den Premierengeschenken. Und natürlich den kritischen Anmerkungen. Weia!)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Das letzte Wort ist bestenfalls das vorletzte Wort oder Jedes Ende ist lediglich eine Pause!

Samstag, 4. September 2010 20:35

leere buehne

(Da sitzt der Bär wieder. Wie ganz am Anfang des Stückes. Haltung, Bühne, Licht: keine Veränderung festzustellen. Stille. Konzentriert und nachdenklich blickt Archibald ins Publikum. Er versucht sich nicht durch Ernst Alberts Gegenwart beeindrucken zu lassen. „Scheißschauspieler!“, denkt er, aber das nur kurz. Dann atmet er ein – als Mime , kratzt sich am Pöter – privat – und legt los – als beides! Aha! Anderer Text als zu Beginn des Stückes.)

Mit kräftiger Stimme. Alleine nun. Wieder. Blickt zum Himmel. Veränderungen? Keine! Obwohl! Horcht in sich hinein. Der Darm ist tätig. Denkwürdig. Aber auch erfreulich. Denkt nach. Nicht zu vergessen das Bein. Dran! Kratzt sich. Als sei es nie ab gewesen. Plötzliche Angst. Und doch? Wenn diese ganze Reise? Die Worte? Alle? Nein! Nun feierlich. Hier sitze ich, zweihundert Tage nun die Welt betrachtend, kerngesund trotz mancher Blessur und intellektuell höchstwahrscheinlich auf dem…leichtes Zögern….Grund des Honigtopfes angelangt. Vorläufig, gewiß, vorläufig. Keine Eile. Nein! Keine Eile! Pause. Er schließt die Augen. Öffnet sie. Aha. Immer noch allein. Froh darüber. Horcht in sich. Leichtes Denken. Magenrumpeln. Leckt sich seine Lippen. Zeit für Honig. Viel Honig. Sehr viel Honig. Mit leiser Stimme Maßlosigkeit? Nun feste Stimme. Gewiß. Nein. Die Reise und die platten Pfoten sind die Boten der Veränderung! Wachstum! Ernte gar? Horcht wieder in sich. Da! Reste erquicklicher Begegnungen. Subkutan! Erfreulich! Höchst erfreulich! Ungewöhnliche Stille heute. Im Denkapparat. Es raschelt im Gebüsch. Stimmen. Man singt. Irgendwo! Amseln? Wohl nicht! Trotzdem: erfreulich! Sehr erfreulich. Ihn fröstelt. Wieder einmal geht der Sommer. Treulos. Lacht. Treulose kalte Tomate. Weiß nicht, daß ein nächstes Jahr kommt. Keine Ruhe. Lacht nicht mehr. Werde ich da sein? Bei seiner Wiederkehr? Mit fester Stimme nun. Keine Frage. Wir fangen weiterhin an. Lauscht angestrengt. Man singt immer noch. Schön. Habe ich je gesungen? Als kleiner Bär? Damals? Mit einem Bein? Auf zwei Beinen? Archibald, denke nach! Kratzt sich heftig und ausdauernd. So war es. Ein Lied. Ein kleines Lied. Er singt.

Der Tag neigt sich nach Westen

Es dämmert wieder ma-al

Und aus dem Magen…

Springt auf. Ich schaue zurück und es ist derselbe Hunger. Derselbe Hunger, der gestern aus meinen Gedärmen rief. Und vorgestern. Nachdenklich. Und vorvorgestern? Pause. Ach lassen wir das. Was bleibt? Die Fensterbank? Die Fensterbank. Streckt seine Nase in die Luft. So eine Stille! Noch nie solch eine Stille gerochen. Drinnen. Draußen. Zeit für ein Bad. In der Stille. Singt wieder.

Der Tag neigt sich nach Westen

Es dämmert wieder ma-al

Und aus dem Magen….steiget

Der ew’ge Hunger. Gute Nacht!“

(Langsam wird es dunkler. Auf, vor, neben und wahrscheinlich auch unter der Bühne. Ein paar Sekunden sitzt Archibald noch regungslos als Suchender Bär an der Rampe, ein letzter intensiver Blick, aufstehen, ausatmen und ein Lächeln huscht über sein Bärenantlitz. Geschafft. Das war’s. Fast!)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

„Du hast recht – Quasimodo hatte recht – Mozart hatte recht – Mach Dir keine Gedanken!“ (B.D.)

Freitag, 3. September 2010 11:54

guter koenig

(Die Türe zum Orakel hatte sich geöffnet. Der Bär war eingetreten. Das Orakel ist nur ein Bild. Ein buntes Bild. Es spricht nicht. Noch nicht. Archibald Mahler glaubt einen Moment lang sich an das Gesicht, welches das Bild zeigt, erinnern zu können. Es gelingt ihm nicht. Das ist auch gut so, denn seine Rolle – der Suchende Bär – hat nämlich keinen blassen Schimmer, um wessen Konterfei es sich da handelt. Der Bär zittert etwas, vor Aufregung, vor Erschöpfung und vor Kälte. Dabei zerpflückt er die Rose, die er auf dem ganzen Weg hierher heldenhaft in seinen Pfoten gehalten hatte. Zerriebene Blütenblätter liegen auf dem Bühnenboden. Die Schwanenjungen im Publikum haben das bemerkt. „Mama, das war jetzt nicht gescheit vom dem Bär, gelle!“ Zustimmendes Nicken. Die Raben schwingen sich in die Lüfte und stimmen ein kleines krächzendes Liedchen an. Sie scheinen den Mann auf dem Bild erkannt zu haben. “Meine Geliebte ist wie ein Rabe, der mit zerbrochenen Flügeln auf meinem Fensterbrett sitzt! Die Lahn! Die Lahn ist das.“  “Der Mississippi wird es nicht sein. Ruhe, ihr Nasen!” Das sagt der Schwanenvater. Toneinsatz. Das Orakel spricht.)

„Da bist Du ja! Willkommen!“

„Oh, verdammter Mist!“

„Nette Begrüßung! Was ist los!“

„Ich…tut mir leid…muß ich jetzt wieder gehen?“

„Du störst mich nicht!“

„Aber ich habe die Rose kaputt gemacht!“

„Ich habe nicht die Angewohnheit, Eintritt zu verlangen. Du bist hier, ich sehe Dich und höre Dich. Was willst Du wissen?“

„Au! Wenn ich das so genau wüßte! Auf alle Fälle ganz viel!“

„Drei Fragen!“

„Nur drei?“

„Erstens reicht das, zweitens habe ich das Abendessen auf dem Herd und drittens sind drei Fragen Tradition in Märchen, Sagen und Mythen etcppp.“

„Darf ich kurz nachdenken?“

„Wenn es der Fragenfindung dient!“

(Der Bär schnauft und kratzt sich angestrengt an seinem Pöter. Er reckt seine Nase in die Luft. Dann klatscht er in die Pfoten.)

„Gut. Also, das mit dem tieferen Sinn, oder mit der Antwort auf die Warums und was die Welt so zusammenhält im Innern: gibt es das eigentlich? Und wo?“

„Die Welt wird im Innern zusammengehalten von flüssiger Lava und Unmengen von Schlamm und Gestein und fossilen Resten und unglaublichen Kräften und der Rest ist Hirngespinst der Aufrechtgeher. Sollen sie froh sein, daß der Sturm sie nicht von der Erdoberfläche wegpustet. Das kommt noch früh genug!“

„Auweia!“

„Nächste Frage?“

„Also, die Welt ist ja manchmal sehr aggressiv oder frech zu einem, also auch zu mir. Da wird zum Beispiel auch mal ein Bein abgerissen. Es gibt ja immer wieder diese Katastrophen. Wenn ich zum Beispiel jetzt von einem Tiger angegriffen würde, dann…“

„Was denn für ein Tiger, wieso ein Tiger? Ich bin in meinem ganzen Leben noch keinem einzigen Tiger begegnet. Nächste Frage!“

„Aber ich hab die Frage noch gar nicht richtig gestellt, Herr Orakel!“

„Dein Fehler. Mein Freund, ich in meiner Funktion als Orakel bin ich es nicht gewohnt zu diskutieren! Letzte Frage! Und Du darfst Dir auch viel Zeit nehmen. Du weißt: Denken und so!“

(Also dauert das jetzt. Die Bisamratte nöhlt. „Da bärt sich aber einer aus!“ „Ich weiß, was er fragen wird!“ Das wirft der Kranich ein. „Ja, was denn?“ „Sag ich nicht!“ Das Publikum kommuniziert angeregt. Schön!)

„Psst. Ruhe, da unten. Ich hab noch Text. SO! Jetzt weiß ich, was ich fragen will. Also: Was soll man machen, wenn man morgens aufsteht und sich schon wieder dabei erwischt, daß man etwas erwartet? So was wie Glück oder so?“

„Zähneputzen!“

„Das ist jetzt aber blöd, Herr Schatten. Bären putzen sich die Zähne nicht. Das müßten Sie eigentlich wissen!“

„Ich bin kein Schatten mehr. Wenn ich hier rumhänge als eine Stimme mit Bild oder umgekehrt, bin ich eher so eine Art von guter König, so eine Art von Chimäre. Etwas, das  sich jeder wünscht, ein Antwortapparat oder ein Erlösungskästchen. Meine Antworten sind die Antworten, die Du dir auf Deine Fragen wünschst!“

„Verstehe ich mal wieder nicht!“

„Dann so: Versuche Du doch einmal mir Deine eigene Frage zu beantworten! Als hätte ich sie Dir gestellt!“

„Geht das?“

„Denke schon!“

„Also: Archibald Mahler, erwarten Sie nicht zu viel vom Leben, eine bessere Zeit als jetzt werden Sie nicht haben. Es gibt kein Glück im Leben, es gibt nur ein Wetterleuchten des Glücks. Wissen Sie es zu würdigen! Zehren Sie davon! Abbes Bein war gestern.“

„Sehr schön! Warum siezt Du Dich!“

„Weil das doch eine wichtige Antwort auf eine wichtige Frage war! Oder?“

„Ich danke Dir für Deinen Besuch. Keep on keeping on! Mein Abendessen!“

(Musik. Rauch. Rumgewusel im Nebel. Der Lütte Stan räumt auf. Die Bühne nun leer. Wie ganz am Anfang der Bär allein an der Rampe. Er schielt ins Publikum. Soll er eigentlich nicht! Nun gut. Da stehen jetzt auch Ernst Albert und Eva Pelagia. Ernst Albert grinst. Weil der kleine Bär sich auf den Brettern seiner kleinen Welt wacker schlägt oder weil Robert Zimmermann singt? Beides!)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Alles an was Du Dich erinnern kannst, erzählt Dir von dem, was Du nicht vergessen kannst!

Dienstag, 31. August 2010 21:16

kurz vor der ankunft_variante

(Der Lütte Stan ist abgespielt. Als Mime. Alle Konzentration widmet er nun seinem Job als Licht- und Tonmann. Man sieht es der Bühne an. Projektionen. Videos. Mucke. Atmo ohne Ende. Da das Publikum „Ahs“ und „Oohs“ von sich gibt, verzichtet Archibald Mahler, Regisseur und Protagonist, auf einen Protest – „Und wer guckt da eigentlich noch auf mich?“ – und beginnt seinen Monolog vor den Toren des Orakels.)

„Da sitzt des Bären bebende Hülle,

In seiner Pfote blühende Fülle.

Ist dies zum Eintritt die gültige Karte,

Wartet dort Antwort, die ich erwarte?

Bin ich es auch wirklich, der wohnt in meinem Fell?

Lang war der Weg vom Himmel zur Höll.

Falls es das ist, was hinter den Toren,

Es fragt mich – ich selbst? – was ich hier verloren?

Wie, was, warum und wann und woher?

Rasender Puls, Hirnschale leer.

Auf meinen Lippen, schwer wie Platten aus Blei,

Fragen, verschwommen, Erinnerungsbrei.

Der stinkt von Lügen, dies sei hier geschrieben,

Dies hat mir das Wasser ins Auge getrieben.

Es juckt und es zuckt mein einst abbes Bein,

Doch dies int’ressiert ganz sicher kein Schwein.

Klopf ich nun, schlag an die Tür meine Pfote,

Oder wart ich hier, bis mich ein aufrechter Bote

Hineinruft oder zum Beelzebub jagt?

Bekommt eine Antwort, wer gar nichts mehr fragt?

Die Rose sie welkt, ihre Blätter sie fallen,

Vor die geschlossene Tür. Sind das Schüsse, die knallen?

Warten aufs Warten. Umkehr verboten.

Noch einen Reim gesaugt aus den Pfoten.

Gedanken verworren, Schicht liegt auf Schicht.

Kommt denn nicht einmal ein Kern an das Licht?

Man sagt: Existieren sei Reise genug!

Laß die Wiese wild wachsen und spar Dir den Pflug.

Was war’s, was ich wollte, sag’s mir bitte noch mal?

Ist der Preis für Erlösung nur zusätzliche Qual?

Was war’s, was ich wollte, halt ich’s in meiner Hand?

Ist dies hier schon der Abgrund, oder doch nur sein Rand?

Was war’s, was ich wollte, liegt ich immer noch vorn?

Meine Rose ist blattlos, in der Pfote der Dorn!

Verflucht und verdammt und dreimal Aua gebrüllt.

Ich pfeif aufs Orakel, das sich ewig verhüllt.

Ich kehr Dir den Rücken und auch meinen….“

(Der Bär bemerkt, daß die Türe zum Orakel offensteht. Wie lange schon? Hat man seine Worte vernommen? Wird er eintreten? „Ich glaub jetzt hat er es verschissen, der Bär!“ Das hat einer der Raben gesagt.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Nicht jeder, der sich vom Acker macht, führt nur Böses im Schilde!

Montag, 30. August 2010 20:39

auf dem weg

(Die zwei Wanderer auf dem Weg. Schweigend. Der Eine denkt, der Andere sei ihm Gefährte. Offensichtlich unterliegt er einer Täuschung. Der ff spricht.)

„Die Stunde, Bär, ist eine trennende. Der Weg vor Dir

ist Deiner nun allein. Ich kehre um und warte

auf den Nächsten, der diese Gasse geht.

Gehab Dich wohl, es ist schon spät.“

„Was vernimmt mein wandernd Ohr! Halt ein

und denke, daß nicht so oft Du hast Gelegenheit

dem Suchenden die Hand zu halten.“

„Bis gar zum Ziel?

Hinfort ohn Angst. Dies sei mein letzter Rat

Und schon siehst Du des Hasen Fuß entweichen.“

„Nicht so, oh Fremder Freund! Ganz ohne

einen segnend Gruß darfst Du nicht gehn.

Entzieh mir nicht die helfend Gegenwart, die mir

Auf diesem Weg zum unbekannten Ziel

Den rechten Weg vertrauensvoll gewiesen.“

„Mir ist’s zuviel! Nun geh!“

„Wie wert und teuer,

dies sei ein letztes Mal gesungen, fast wie ein Vater

Du mir warst in fremder Ferne, wie jedes Wort,

welch nun zurück mich stößt, mir peinvoll und

mit ungeahnter Wucht hier wühlet im Gedärm.

Wie blinde Angst den armen Bärenpöter! Ach!“

„Leb wohl!“

(Und ein bis drei elegante Haken schlagend macht sich der ff in die Büsche, sprich in die Kulissen. Wenigstens scheint die Sonne. Sogar ein Regenbogen spannt sich über die Bühne. Kommt gut an beim Publikum. „Toller Trick!“, sagt die Bisamratte. „Wie kriegen die das bloß hin?“ Tja, manchmal helfen die Götter den Mimen, eher selten, aber ab und an geschieht es. Der Suchende Bär passiert ein Warnschild. Darauf steht geschrieben:

Suchende,

welche sich dem Orakel in Begleitung von Ratgebern, Fremden Freunden oder ähnlichen illegalen Hilfsmitteln nähern,

riskieren Zurückversetzung an den Ausgangspunkt der Reise oder Schlimmeres.

PS: Haben Sie an Ihre Rose gedacht?

Gezeichnet:

Das Manätschment

Der Bär atmet tief durch.)

„Potzrembel die Waldfee. Da hab ich aber Glück und einen gescheiten Reisebegleiter gehabt.“

(Im Hintergrund fährt der Lütte Stan die Hintergrundmusik rein. Der Bär setzt sich auf einen Stein und denkt nach. Das Publikum auch, weil die Musik im Hintergrund so erhaben ist.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Wenn nichts mehr geht, geht meistens einer voran oder alle bleiben stehen (Sagt Laotse! Oder Löw?)

Sonntag, 29. August 2010 18:01

auf dem weg-eiseskaelte

(Es ist kalt, eiskalt auf der Bühne. Bodennah entlang wabernder Trockeneisnebel und blaues Licht verstärken den Eindruck. Das Publikum beginnt zu schlottern. Aus Solidarität mit den Mimen? Weil es beeindruckt ist? Oder weil diese unchristlichen Temperaturen am Ende eines Augustes eigentlich Freilichttheater nicht mehr zulassen? Lassen wir dies die Nachgeborenen entscheiden. Der Bär – es fällt ihm schwer – hebt an zu sprechen.)

„Wir können…..doch wir müssen.…aber….dennoch…Fremder….spürst Du…Freund….?“

„Es geht nicht mehr!“

„Die Kälte…..verflucht…..oh die Sterne….mein Hüfthalter….quatsch….der Kreislauf….das Blut….stockend wie meine…!!“

„Rede?“

„Ja!“

„Das war’s!“

„Adieu!“

„Halt durch! Die Sonne….verdammt nun auch ich.…das  Schweigen!!!!“

„Krrgh!“

(Die zwei Wanderer kehren dem Publikum den Rücken zu. Eingefroren, unbeweglich, schweigend. Schweigend? Für die Zuschauer nicht zu vernehmen: zwei Mimen tuscheln Privattext. Hören wir mal rein.)

„Wer hatte diese Scheißidee?“

„Was meinen Sie, lieber Herr Mahler?“

„Na, daß wir hier jetzt fünf Minuten regungslos rumstehen müssen und so tun, als seien wir eingefroren!“

„Die Regie, soweit ich weiß!“

„Herr von Lippstadt-Budnikowski, wie soll ich diese Anspielung verstehen?“

„Ich wollte lediglich Ihre Frage beantworten und in diesem Zusammenhang noch mal auf die Konzeptionsbesprechung verweisen!“

„Ja und? Sprechen Sie!“

„Na ja!“

„Raus mit der Sprache, Theater ist ja schließlich keine Diktatur!“

„Das sagen Sie!“

„Wenn Sie nicht innert der nächsten Sekunden! Ich gehe ab!“

„Als Regisseur?“

„Ich zähle bis drei. Eins…zwei…“

„Sie sagten, nach der Pause wäre, also während die zwei Gefährten unterwegs sind zum Orakel, nun da wäre ein konsequentes und für das Publikum fast schon unerträgliches Freeze eine schöne Idee.“

„Was für ein Freeze?“

„Einfrieren halt. Nicht bewegen und der tiefere Sinn wäre, man könne so bildhaft  und nonverbal den Stillstand von Zeit darstellen, damit mahnen an die Vergänglichkeit, also quasi ein Freeze der Unmöglichkeiten, ein Freeze der Chancenlosigkeit im Kampf mit den Mächten des Schicksals oder so bauen! Ein Freeze, welches um sich selber kreist und so sinnbefreiendes Warten gebiert! Ham Sie gesagt!“

„Hab ich gesagt? Sinnbefreiendes Warten?“

„Ham Sie gesagt!“

„War ich betrunken?“

„Nicht das ich wüßte!“

„Oh Gott! Sollte man nicht öfter mal schweigen?“

„Na ja!“

„Potzrembel die Waldfee, da schämt man sich ja als darstellender Bär. Und jetzt?“

„Da müssen wir durch! Noch zwei Minuten!“

„Und das Publikum? Ist es noch da?“

„Ich habe nichts Gegenteiliges vernommen!“

(Das Publikum beginnt zu kichern. Leise erst, dann immer lauter. Die Mimen wundern sich. War was mit den Kostümen? Ist ein Zuseher hinter ihrem Rücken auf die Bühne gehüpft und trieb dort Schabernack? Was sie nicht bemerkten, sie standen vor dem Mikrophon, in welches der Beelzebub sein “Lied von der Anstrengung schlecht zu sein” gesungen hatte und der Lütte Stan, unter anderem verantwortlich für Licht und Ton, hatte vergessen das Mikro rauszuziehen, denn er mußte zu seinen Auftritt als ff eilen. Das Auditorium hatte also alles mitgehört. Gott sei Dank möchte man sagen. Wer lacht, friert nicht!)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Auf der nassen Strasse geht es nicht voran zum Ende des Spieles hin

Freitag, 27. August 2010 19:52

auf dem weg-regen

(Der Suchende Bär – heute wieder mit Rose – und der ff haben sich auf den Weg gemacht Richtung Orakel. Wasser oben, unten, rechts und links. Alles glitscht und gluckert. Das erste Wort hat der Bär.)

„Wie ist das Wetter?“

„Es ist zum Weinen!“

„Es wird wieder heiter!“

„Mal sehen.“ (Er schaut in die Ferne.) “Nichts…nichts…und wieder nichts.“

„Kein Blau?“

„Nichts.“

„Alles ist…..!“

„Alles ist …alles ist…alles ist was?“

„Was alles ist? Mit wenigen Worten? Schwer zu sagen!“

„Na?“

„Schau Dir die Wolken an!“

(Der ff schaut in die Ferne.) „Nichts ändert sich!“

„Schau Dir die Regentropfen an.“

„Hat man je so etwas gesehen?“

„Schau dort hinten den See!“

„War er nicht schon immer da?“

„Gewiß.“ (Lange Pause. Kratzen am Pöter. Der Hase wringt seine nassen Löffel aus. Der Bär nun ungeduldig und heftig.) “So kommen wir nicht weiter!“

„Weiter? Hinterm Horizont?“

„Was soll denn schon hinterm Horizont sein?“

„Das Andere?“

„Die Nacht?“

„Vielleicht ist schon Nacht und wir merken es nicht!“

„Es wäre dunkel.“

„Wenn es regnet vielleicht nicht!“

„Wir sind doch nicht etwa dabei, uns…also…?“

„Was uns?“

„Aufzulösen!“

„Aufzulösen?“

„Ich frage mich nur, wenn uns ein einigermaßen vernunftbegabtes Wesen lange und ausgiebig beobachten würde, würde es sich nicht Gedanken machen?“

„Über uns?“

„Über den Weg.“

„Unseren Weg?“

„Wenn wir nur wüßten wohin!“

„Gehen wir weiter!“

„Wir können nicht!“

„Warum?“

„Es juckt mich!“

„Ein Floh? Das wäre fürchterlich.“

„Verläßt Du mich jetzt?“

„Nein, ich kann nicht!“

„Warum?“

„Es juckt mich auch!“

„Wo?“

„Woanders!“

„Machen wir Pause?“

„Nein, wir können nicht. Es regnet!“

„Gehen wir eben weiter!“

„Gehen wir eben weiter!“

(Sie gehen weiter. Der Regen hört auf. Dafür wird es bitterkalt. Natürlich nur auf der Bühne. Theaterkünstler lieben ihr Publikum.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein trüber Tag gegen Ende des Sommers und ein Bär regt sich fürchterlich auf! (Warum eigentlich?)

Donnerstag, 26. August 2010 20:22

der gute teufel

(Über die rechte Schulter des Beelzebub sich lehnend Archibald Mahler in seiner Rolle als Suchender Bär. Wütend, man kann sagen, fast schon außer sich. Er gestattet dem Publikum einen leichten Aufatmer ob seines unversehrten Erscheinens, dann legt er los. Zweites Semester Schauspielschule: Der sogenannte Ausbruch! Was ein Fachbegriff ist fürs Zürnen und Toben, gerne unkontrolliert mit der Gefahr einer Zerrung (man selbst!) oder eines blauen Auges (bei Kollegen!). Auch Requisit möchte man da nicht sein. Los geht’s.)

„Im Elend! Am Rande, ach darüber hinaus, der blanken Verzweiflung! Schwitzend und sich das Haar raufend über den Planeten geirrt und nun erbärmlich gefangen! Mit unbekannten Ingredienzien vollgepumpt und entsetzliche Qualen leidend im Kerker des Leibhaftigen! Die Suche ist abgebrochen. Zerschmettert die Hoffnung! Bis hierhin, ach, nur bis hierhin! Teuflischer, nichtsnutziger Geist! Was bietest Du mir als nächstes? Fässer vergifteten Weines? Abgeschmackte alte Bärenweiber, mir mein letztes Restchen Verstand aus den Hirnwindungen saugend! Hund! Abscheuliches Untier! Öffne die Tore, befreie mich von den Ketten! Befreie meine empfindliche Nase, die tausendmal empfindlicher ist als die Nase der Aufrechtgeher, von Deinen unsäglichen Ausdünstungen! Was wünschest Du? Soll ich hier im feuchten Grund vor Deinen verkrümmten Füßen auf meinem Fell entlang rutschen und um Gnade winseln? Meiner unschuldigen Bärenseele zum unwiderruflichen Pakt mit Deiner Teuflischkeit raten? Mir wühlt es Mark und Bein durch! Ach, ich Elender! Ja! Poor Poor Pityful Me! Ich will hier raus!“

(Der Bär atmet schwer. Emotion ist ein hartes Brot. Zumindest auf der Bühne. Stille, durchschossen von pfeifenden Bärenlungen. Die Raben meckern rum. Der Lütte Stan fährt den Soundtrack rein. Leise. Hintergründig. Der Beelzebub lacht. Der Bär schaut ihn böse an. Der Beelzebub schmunzelt und spricht.)

„Mutig bist Du ja, Freundchen. Schöner Monolog, bißchen viel vom Geheimrat geklaut, paar Wiederholungen und viel schweres Gepumpe, aber – kurz und knapp – leider an der Grenze des gemeinen Aufrechtgeherwitzes namens “Das Große Leiden” entlang geschrammt. Was regt Dich auf? Du willst durch die Welt fliegen und dann hältst Du den Schwindel nicht aus! Bist Du von Deiner Fensterbank aufgestanden, um hinaus zu ziehen und den inneren Zusammenhalt der blauen Kugel zu suchen oder ich?“

„Grins mich nicht an und zeige mir Deine gelben Zähne! Mein Magen rumpelt wie die Trommel einer überfüllten Waschmaschine bei Deinem Anblick! Der Ekel schüttelt mich!“

„Sag Deiner Wut, ich bin das falsche Ziel. Ich bin nichts als ein kleiner unschuldiger Spiegel. Man macht es sich einfach, wenn man stolpert und die Wurzel beschimpft und nicht den unachtsamen Fuß. Und – by the way – haben wir eine Abmachung? Ich glaube nicht! Du kannst gehen!“

(Nach einer verdatterten Pause) „Wie? Ich kann gehen? Du verfluchst mich nicht? Läßt mich nicht Steine klopfen oder meine gesamte Verwandtschaft in Wyoming oder Kamschatka verleugnen? Ich muß nicht für immer dem Lachs und dem Honig abschwören? Mir einen kläffenden Vierbeiner zulegen? Kein Preis? Keine Strafe?“

„Nichts wird so heiß und so weiter. Du weißt schon. Ich tu doch nur meine Pflicht. Ab und zu den allzu Guten die Ohren lang ziehen und ihre Nase auf die dunkle Seite des Mondes hinweisen. Das ist im übrigen Dein Seelenpöter, den Du Dir so gerne kratzt. Wohlgemerkt Dein Pöter, nicht meiner! Sei’s drum! Um Dich mach ich mir keine Sorgen! Du frißt Aas und willst die Welt so lassen, wie sie ist! Hau ab! Du findest Deinen Weg! Auch ohne Abmachung mit mir! Es war mir eine Ehre, Dich ein wenig aufzuhalten und zu ärgern! Abflug!“

„Dich soll einer verstehen, Herr Beelzebub! Du bist ganz schön unergründlich!“

„Stell Dir vor, ich bin ein dunkler Teich und Du sitzt an meinem Ufer. Du sammelst eine ungerade Anzahl von Steinen, legst sie in einen kleinen Beutel und hängst sie dann in mein Wasser. Nach einer gewissen Zeit holst Du den Beutel raus und Du wirst eine gerade Anzahl von Steinen in Deinem Beutel finden. Wenn Du dann noch Zeit und Lust hast, machst Du die Gegenprobe. So geht das. Flüssiges wird starr, Lebendiges tot und Ideen bekommen Beine. Und vergiß Deine Rose nicht!“

„Potzrembel! Die hatte ich ja ganz vergessen!“

„Eben! Festhalten!“

(Der Beelzebub überreicht Archibald die unversehrte Rose und verschwindet im selben Moment. An seine Stelle tritt der Lütte Stan in seiner Rolle als ff. Dann beginnt es säuisch zu regnen. Natürlich nur auf der Bühne. Theaterkünstler lieben ihr Publikum.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Der Beelzebub singt das Lied von der Anstrengung schlecht zu sein und dann geht es weiter

Mittwoch, 25. August 2010 21:22

monolog des teufels_original2

(Die Bühne steht noch. Die Mimen haben neue Kraft geschöpft. Die Zuschauer sind auf ihre Plätze zurückgekehrt. Einige haben sogar jemanden mitgebracht. Die Bisamratte ihren dreibeinigen Onkel, das Schwanenpaar mit den Jungen fünf elternlose Nilgansküken und die sieben Raben sind nun siebenundsiebzig Raben stark. Sie betrachten den Beelzebub als eine Art Schwarmführer und – ehrlich gesagt – spekulieren sie auch auf ein leckeres Bärengulasch. Der Himmel ist stark bewölkt. Dadurch eine atmosphärische Verdichtung, die so nur bei Freilichtspielen möglich ist.  Der Beelzebub schwingt sich auf die Bühnenrückwand und beginnt zu singen. Fis-Moll.)

Das Lied von der Anstrengung schlecht zu sein

1

Man stinkt. Man kratzt sich wund. Man keucht und flucht.

Man spuckt. Man grinst in eine freundliche Frage hinein.

Die Haare auf den eigenen Zähnen werden gekämmt! Noch Fragen?

Man kackt. Man spült nicht runter. Dann wird gereimt.

2

Mit schmutzigen Fingernägeln tief im Nasenloch ein paar Gedanken.

Die Seifenstücke kaue ich zum Mittag. Das Fieber steigt.

Über mir eine freundliche Sonne. Unter mir Staub.

Dort werde ich liegen. Für Euch. Unter Euch.

3

Eure weißen Hemden flattern auf den Wäscheleinen.

Eure reine Haut schimmert im Morgenlicht.

Eure reinen Seelchen singen tänzelnde Lieder in Dur.

Eine große Kanne Selbstgebrannten schütte ich mir in den Hals.

4

Wie auch anders soll ich mich, den Teuflischen, betören?

In Euer mit Worten der Weisheit bedrucktes Papier

Gerollt ein stinkendes Gemisch bulgarischer Tabake?

Drunter gemischt harzende Reste selbstgezogenen Hanfs?

5

Und Nein und noch mal Nein und wieder Nein auf jede Eurer Fragen.

Was weise geschrieben und bedacht und wohlfeil bedruckt

Heizt meine Bretterbude ein. Hinter dem Hause der Dung.

In den Zimmern die Reste meiner verrottenden Mahlzeiten.

6

Gelegentlich singe ich zynische Couplets auf den Strassen

Über die Ihr, geil verdientes Geld tauschend in wohlfeile Waren

Wandelt und glücklich strahlt und Eure Feste feiert, bis Ihr fallt.

Für die Reste Eueres Erbrochenen übernehme ich die Verantwortung.

7

O Ihr himmlichen Früchte befleckter Empfängnis!

Ich hänge raus die Laken! Seht meines Balkones Zier!

Ich deck mich zu mit meinen Sünden!

Auch wenn ich frier!

8

Der Böse ist doch stets der Andere! Nehmt meinen Namen und

Gebraucht ihn als Euer Schild! In dieser Rüstung, solltet ihr mal fallen

Über das eigene, so stolz geschwungene Tanzbein,

Wundert Euch nicht, wenn es scheppert! Und ich von dannen!

(Es zischt und dampft. Zwischenrufe. „Und der Bär?“ „Wo ist er, bitte sehr?“ „Ist das jetzt ein neues Stück oder geht’s noch?“ Geduld ist nicht weit verbreitet in den Auditorien dieser Welt und der Umweg wird bestenfalls zähneknirschend goutiert. Deshalb: Gerumpel hinter der Bühne: Auftritt Archibald Mahler als Der Suchende Bär. Applaus! Nur die siebenundsiebzig Raben murren etwas.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Zu spät, Du rettest den Freund nicht mehr? Dennoch sollte man es zumindest versuchen!

Donnerstag, 19. August 2010 21:48

fremder freund am gruenen fall

(Leere Bühne.. Das letzte Lachen, der letzte Powerchord verhallt. Nur die Raben kreisen noch über der Bühne. Der Fremde Freund tritt auf. Sehr vorsichtig.)

Heda! Wer fehlt da! Holla! – Ist die Nacht

Schon angebrochen? Sagt es an, ob  – Huch!

Gut Freund, ihr Raben! Seid ihr die Boten

Jenes, dessen Hauch noch in der Luft?

Ihr seht den harmlosesten Gefährten,

Bei meiner Treu, der hier auf dieser Bühne

Zitternd wandelt, vielmehr hier harrt

In Staunen. Wo ist der Bär? Heda!

(Die Raben nehmen wieder ihre angestammten Plätze im Auditorium ein. Es wird noch stiller, falls es eine Steigerung von Stille geben sollte.)

Vorsicht! Langsam, Herr von Lippstadt-Budnikowski.

Ach nein, dies ist der Name nicht

Den ich auf dieser Bühne trage,

Doch ist die Spannung ungeheuer hier,

Und es vertut sich mancher, eh er’s glaubt.

Der Mahler fehlt, ei hol`s der Henker,

Und aller Mut rutscht mir ins linke Bein

Oder ins rechte tief hinab, oh Graus.

So soll ich in den finstren Orkus fahren?

Ein Has mit Herz? Dies hätte der Verfasser

Auch anders hinnotieren können.

Ruhm bleib mir fern und Du auch Ehre

Ohne Sinn. Ist’s nicht viel besser,

Ein langes Leben leben und jegliche

Karotte, die den Weg Dir glänzend kreuzt,

zu nagen mit dem völligen Gebiß?

(Hinter oder unter der Bühne – schwer zu orten – schreckliches Stöhnen und Keuchen. Wird ein Bär gefoltert? Der Fremde Freund erschauert.)

Doch was zum Teufel sprech ich hier

Da mir das Ohr erzittert wie das Laub

Der Espe, die die Höhle meiner Ahnen

Krönte? Welche Schande läßt mich schier

Erröten, ob des schändlichen Verrat am

Hehren Worte Freundschaft? Sapperlot!

Der Freund, zwar fremd, bist Du genannt,

Es wäre gut, wenn Du die Rolle übst!

Auf! Gut bemerkt, Freund Stan! Nun prüfe

Wie den Pfad der Tat mit durchgestreckter

Brust Du kannst bestreiten und –

Sei Teufel hin und Schwefel her –

Es ist ein Freund! Ihn gilt’s zu retten!

Doch allein: die Furcht sie bleibt.

So gilt es nun zu denken und dies

Genau, präzis und nicht in wilder Hast.

Ein guter Grund – ich schick Euch in die Pause

Und seh am nächsten Mittwoch wieder

Euch und wer auch immer will,

Zur selben Zeit am selben Ort

Und danke bis hierhin. Ach! Uff!

(Geht langsam ab, verkneift sich aber ins Publikum zu winken, denn hinter der Bühne erwartet ihn Archibald Mahler, geschäftsführender Bär in Sachen Kunst, der ein Auge dafür hat, wenn angehende Talente den Bodenkontakt verlieren.)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth