I Read The News Today! OH BOY! (A Preview)
Da lagen einige Zeitungen zu seinen Tatzen. Ernst Albert hatte sie liegen lassen. Absicht? Mer waahses net! Mer munkelt’s blues! Des Bären Nase bemühte sich. Anstrengend das Ganze. Erst im Lenze des Jahres Zwanzigzehn hatte er die Kunst des Buchstabenriechens entdeckt und diese – Hier sei es gestanden! – ob der so viel angenehmeren Welt- und Waldbetrachtung, der Großen Pöhlerei Festspiele und dem zeitweiligen Wirbeln auf den Weltspielbrettern etwas bis fundamental vernachlässigt. Doch jetzt gab es kein Halten mehr. Seine Nase vibrierte und saugte ein, die Schleimhäute sortierten und interpretierten, die Synapsen trommelten Informationen in die Nervenbahnen. Es wurde gelesen. Buchstabensalate, dazwischen gegossene Meinungsdressings und meist ganz erschröcklich lieblose Bildchen sprangen dem Bären entgegen. Auf jedem zweiten Bild in den lokalen Gazetten eine kleine, bebrillte, breit grinsende Frau mit Doppelmoppelnamen – Ist das eine Studentin im 36. Semester? – beim Bierfaßanstechen, Kinderstreicheln oder Werbetafeln hochhaltend! Warum? Das reizte alle seine Rezeptoren. Intern, extern, subkutan! Der Bär mußte niesen. Die Zeitungen flogen in die Höhe, segelten herab wie übergroßes Herbstlaub. Ein neuer Mix lag zu seinen Tatzen. Gestern, heute, morgen und noch ein Tag im Leben eines Bären. I Read The News Today! OH BOY!
„Da steht ja etwas über den Musentempel, an dem Ernst Albert zur Zeit arbeitet! Das ist ja interessant! Huch! Da ist ja einer wütend! Ganz schön frech! Und da steht ja noch was! Das ist aber eine andere Zeitung. Die eine ist rot, die mit der Wut und dem Tamtam. Die jetzt hier ist blau. Und beide natürlich schwarz-weiß. Von den Buchstaben und dem Papier drum herum. In der Blauen regen sich jetzt die Anderen auf, über den, der sich so aufgeregt hatte in der Roten! Auweiah! Große Worte! Scharfe Schwerter! Uff! Wenigstens keine Fotos von der kleinen Frau dabei! Aber ganz viel Aufregung. Und warum? Muß ich mal Ernst Albert fragen, ob der mir das erkären kann!“ Archibald Mahler, mittelhessische Lokalpossen studierender Bär, begriff rein gar nichts. Oder nur soviel: Wenn der Herbst kommt, ist es sinnvoll Zeitungen in seiner Reichweite zu haben. Man deckt sich damit zu und sie wärmen den Bären mit Katastrophen, Geschwätz und einem Haufen Zweibeinerhysterie. Aber noch hingen Reste von Sommerwärme in der Luft über dem Schrottplatz rechter Hand der Lahn und streichelten den Bären und seine Nase löste sich vom Geschwurbel der Aufrechtgeher und der Trittbrettsitzer ward ganz Ohr.
Bären neigen zur Wiederholung. Das wurde hier schon mehrfach erwähnt. Sie neigen zur Wiederholung, und zwar aus Überzeugung. Honig, Aas, Lachs. Heidelbeeren, sich am Pöter kratzen, Löcher in die Luft denken, schlafen und noch mehr schlafen. Und dann wieder von vorne. Gelegentlich über Aufrechtgeher rummoppern. Zum Beispiel über ihren krankhaft doofen Hang zur masturbativen Lärmerzeugung. Wo es doch auch richtig schönen Lärm gibt! Zum Beispiel den hier, welchen er gerade vernahm. Peng! Dengel! Dongel! Plock! Pock! Tock! Pengel! Neben dem Schrottplatz rechter Hand der Lahn steht ein großer Kastanienbaum. Ist es nicht herrlich, wenn die reifen Früchte herabfallen und knallen, direktemang auf das Blech der ausrangierten Kisten, die Archibald in den letzten Tagen Asyl geboten hatten? Peng! Dengel! Dongel! Plock! Pock! Tock! Pengel! Und der Bär wurde sein eigenes kleines Wettbüro. „Die nächste Kastanie in siebzehn Sekunden! Und dann wieder eine in drei Minuten!“ Archibald grinste vor sich hin. „Das ist doch ein schönes Spiel: sich einen ganzen langen und doch noch recht warmen und freundlichen Sonntagnachmittag mit seinen Irrtümern zu beschäftigen. Ob das die Leute am Musentempel auch manchmal machen?“ Mer waahses net! Mer munkelt’s blues! Peng! Dengel! Dongel! Plock! Pock! Tock! Pengel! Und so kam die Nacht! „Gut, daß man heute eine Zeitung neben sich liegen hat.“ Das dachte der Bär.