POST AUS LITAUEN / ABSCHLUSSBERICHT

lit14

Lieber Herr Mahler!

Bin an Bord und glaube es noch nicht. Heute morgen noch in den Wäldern. Einen letzten Elch doch bitte! Die Elche haben aber anderes zu tun und die Götter, die ich anrufe, auch. Kurische Stillen! Ich sitze, in mir verloren, zwischen diesen herrlichen Bäumen, halte Ausschau und – gebe es zu – genieße ein letztes geistiges Wässerchen und will nicht fort. Dann aber muß ich. Schlendere gen Fischerhütte, die mir so lange Unterkunft gewesen. Vor der Türe wild gestikulierend meine Wirtin, meine Reisehabseligkeiten in ihrer Hand haltend. Ein Wortschwall, litauisch, russisch, englisch, deutsch, ergießt sich über meine Ohren. Weia die Waldfee! Hatte ich wohl heute mit morgen verwechselt. Die Fähre “Kehrheim” steht also schon mit rauchendem Kamin in Klaipeda an der Mole. „Blitztransfer! Blitztransfer!“ Mehr der Wirtinnenworte verstehe ich nicht. Ich drücke der lieben Frau meine letzten Litas in die Hand und an selbiger nimmt mich der Taxifahrer ihres Vertrauens und uns bleibt eine knappe Stunde bis zum Hafen. Wie ich schon in einer meiner ersten Postkarten erwähnte, kennt der litauische Taxipilot nur die Gegenfahrbahn. Ich halte mir die langen Ohren vor die Augen und singe irgendwelche Lieder. Der Taxifahrer flucht fröhlich vor sich hin – litauisch, russisch, englisch, deutsch – und mir fällt der Text des Vaterunsers wieder ein. Fünfzehn Minuten bevor das Schiff in See stechen soll, bin ich an Bord. Leinen los! Sirene heult! Die Kamine rauchen und ich trinke ein letztes Svyturys. Und vielleicht noch ein geistiges Wässerchen. Rein in den dicken Nebel. Bis gleich!

Herzlichst Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski

Tags »

Autor: Christian Lugerth
Datum: Samstag, 26. November 2011 15:46
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Draußen vor der Tür

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Kommentare und Pings geschlossen.

Keine weiteren Kommentare möglich.