Drei Tage war der Archi krank, jetzt schaut er wieder, Gott sei Dank!
Sonntag, 28. März 2010 16:06
Der Schmerz, aber: Die Krankheit. Die Sorge. Die Angst. Die Diagnose. Die Medikamentation. Die Pflege. Die Heilung. Man braucht hier gar nicht auf diesen albernen, aber höchst lukrativen Mond-Venuszug aufzuspringen, dennoch: eine Tendenz ist klar erkennbar. Archibald lag im Bett oder vor dem Bilderapparat, Ernst Albert fuhr in der Weltgeschichte herum und mal gewannen die Blöden, dann waren die Blauen Erster. Tage im Gleichmaß: gelegentliche Bärenstöhner, exzessiver Honigkonsum und abgestandene Luft, bis Eva Pelagia eingriff und Archibald von dannen trug. Die Tat.
„Aha, soso, na ja!“ sagte die Ärztin des Hauses, ihr Gesicht legte sich in zu honorierende Falten und man schob Archibald unter das Strahlengerät. Immerhin hatte ein Bürger dieser Stadt, der hier zudem begraben liegt, einst die durchsichtig machende Wirkung dieser Strahlen entdeckt und sie für die Heileheilekunst verfügbar gemacht. Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz wurde geröntgt, das erste Mal. Wenig später lag das Photo auf dem Schreibtisch der Frau Doktor. „Aha, soso, na ja!“ Die Falten im Gesicht der Heilkünstlerin nahmen an Tiefe und Bedeutung zu. „Der Lichtkranz um das Gehirn deutet auf eine Frühform einer eventuell streßbedingten Überreizung der vorderen Hirnlappen hin, eine sogenannte supracogitatio literaris humilis. Der weiße Fleck an der rechten Pfote ist Folge einer gemeinen Übersaugung auf Grund eines latenten Phantasiestaus, eines vacui thematis generalis. Die stark hervortretenden Augen legen einen mehrtägigen Bilderapparatentzug nahe, extractio televisio.“ Archibald zuckte. Der Kampf der Blöden gegen die Blauen hatte doch gerade erst an Fahrt aufgenommen und dann so etwas. „Am meisten Sorgen aber macht mir dieser große, höchstwahrscheinliche posttraumatische Wärmestau – concalesco extremo abdomalis – mit leichter Rechtstendenz im Bereich des Unterlaibs. Offensichtlich die Spätfolge einer nicht hundertprozentig fachgerechten Anoperation eines abben Beines.“ „Vielleicht aber auch nur erste Anzeichen des körpereigenen Frühling!“, dachte der Bär, wagte es aber nicht bei so viel Sachverstand in Weiß zu widersprechen. Eva Pelagia schaute ein wenig erschüttert, was zum einen ein Grundzug ihres zutiefst emphatischen Wesens ist, aber auch mit ihrer Verstrickung in die Causa “Abbes Bein/Anoperation” zu tun hatte. Also sprach die Weißkittelin:„Machen Sie sich mal nicht zu viel Sorgen. Ruhe, viel Trinken, Verzicht auf Genußgifte aller Art und Ruhe, viel Ruhe. Aber das habe ich ja schon gesagt. Ach ja, und die kleinen Punkte am Hals deuten auf eine ganz normale infektiöse Angina hin, verursacht durch Scheißwetter und eine defectio virium, einen allgemeinen Schwächezustand. Streßbedingt. Mann, bin ich fertig. Oh. Entschuldigung. Auf Wiedersehen.“ Man schob die Beiden sanft aus dem Sprechzimmer. „Fräulein Else, schicken Sie mir jetzt den Hasen mit der Obstipation herein.“
Archibald war die Lust am Kranksein gründlich vergangen. Gerade noch ein lebensbejahender, bildapparatschauender Leidensbär mit einem leicht kratzenden Hals und wenig später schon ein Fall für die Notschlachtung. Er schaute aus dem Fenster. Es regnete. Kalter Wind. Herr Lenz hatte Termine außerhalb des Landes wahrgenommen. Es rappelte im Treppenhaus. Ernst Albert kehrte zurück. Er roch nach Genußgiften. Die Zugfahrt war lang gewesen. Aber als er seinen zerrütteten Bären sah, lachte er nicht, sondern er hatte eine Idee. Er flüsterte dem Bären etwas in Ohr. Dann tröstete Ernst Albert Eva Pelagia, den sie konnte nichts dafür, weder für dieses noch für jenes. Archibald schaute aus dem Fenster. „Na klar! Deshalb! An die Arbeit!“
Thema: Archibalds Geschichte, Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth