Welche der Welten ist die Welt?
Donnerstag, 1. April 2010 20:31
Archibald hat den Telefonhörer einfach fallen lassen. Es überkam ihn das Gefühl, daß es nicht die Aufgabe eines Bären ist, der angetreten war aus dem Fenster und die Welt zu schauen, mit einer Frau Dyckmans zu sprechen. Falls sie überhaupt die ist, die sie zu sein vorgibt, den heute ist offenbar ein Tag, an dem die Fellfreien zu scherzen belieben. Zudem war Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, der Ansicht, daß die letzten Tage ein klein wenig zuviel geboten hatten. Da wird ein Bär in aller Unschuld, weil leicht indisponiert, zur Ärztin geschleppt, durchleuchtet, klassifiziert und mit lateinischen Ausdrücken überschüttet, muß sich anschließend einer Tiroler Variante des „Ouzo-Orakels“ unterziehen, wobei der Aufrechtgeher auch noch den für den Bären vorgesehenen Anisschnaps alleine runterschüttet und zu guter Letzt ist man empört und betroffen da draußen vor dem Fenster, wohl ein Lieblingsspiel der Zweibeiner. Nicht zu vergessen, der Kugeltretpräsident am Telefon. Seltsame Welt, in die ein Bär schaut, wenn er schaut.
Archibald war klar, daß ab sofort wieder langsamer und gründlicher gedacht werden mußte, zweibeinerfrei und tief. Sonst wird das nie was mit einem ordentlich eingeräumten Gedankenschrank. Doch die Verwirrung des Bären war leider nicht zu leugnen. Welche der Welten dort draußen ist denn die Welt? Bärenwelt ist eine recht einfache Angelegenheit. Ein Lachs ist ein Lachs ist ein Lachs und zwischen Heidelbeerenstrauch und Aasfilet paßt immer noch ein Mittagsschlaf. Aber die Ruhelosen da draußen vor dem Fenster, stets beunruhigt über den Lauf der Zeit, selbst wenn sie zuviel davon zur Verfügung haben und dann nicht wissen womit sie eben jene Zeit füllen sollen, aber sich hinlegen und alles sein lassen, das wollen sie dann auch nicht. Und dann rennen und hetzen sie los und reden davon Zeit verloren zu haben, die sie aber doch gar nicht hatten und bleiben plötzlich stehen, tatenlos, gelähmt, als käme die verlorene Zeit gleich um die Ecke gebogen und spränge Ihnen zur freien Verfügung und Wiederverwertung in die Hosen- oder Handtasche. Oder leben die fellfreien Raser in dieser Welt, oder in der, welche Tag und Nacht aus den Bilderapparaten plärrt? Und glauben sie gar die Welt, die man ihnen als Spiel und Spiegel serviert, ist die Tatsächliche? Die andere jedoch, die vielleicht die Wahre ist, lassen sie verrotten, als sei das Leben ein Spiel, in dem die Karten jederzeit wieder neu gemischt und ausgeteilt werden können. Oder glauben sie dem, was sie erlesen eher als dem, was sie erleben? Und Archibald wußte gar nichts mehr und schloß die Augen. Es flimmerte hinter seinen Lidern.
Archibald bemerkte, daß es zog wie Lachssuppe. Er spürte seinen leeren Magen und daß die Haustür offenstand. „Sie sind Herr Ernst Albert?“ „Ja!“ „Mitkommen!“ Natürlich, Ernst Albert war nicht mehr da. Ganz unbärig begann sich Archibald doch etwas um den Hausherrn zu sorgen und blickte hinaus in den Hausflur. Archibald allein zu Hause. Vielleicht war es doch an der Zeit den geheimen Fieberthermometerhalter zu einem kleinen Symposium zu bitten. Das war es, was er dachte.
Thema: Anregende Buchstaben, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth