Abschiede unter dem vollen Mond
Und als die letzte Note gesungen und verklungen war, schlug Archibald die Augen auf, fand sich in einer Wiese sitzend, schnaufte einmal kräftig durch und die Welt hatte ihn wieder. Die Löwenzahnsamen flogen durch die Luft und kündeten vom Bären und wie sein Riechorgan alte psychedelische Lieder aus der Luft gesaugt hatte. Floraldownload. Ernst Albert schulterte die empfindlichste Nase des Universums und man machte sich auf den Heimweg. Die Zeit im Süden neigt sich dem Ende zu und morgen gilt es noch mal eine andere Höhle zu beziehen. Die Besitzerin der Neuen Höhle kehrt zurück und da möchte man nicht stören. Gesprochen wurde kaum auf der Wanderung in die alte Stadt. Abschied hat gern mal schwere Füße und die Gedanken loten in Twainschen Tiefen.
Archibald hatte gehadert mit der Arbeitsauffassung des Herrn Lenz in den letzten Wochen. Aber nun, da er Abschiedsblicke über das Flüßchen schweifen ließ und sein Herz gleichzeitig schwer und leicht schlug – er freute sich auf das Wiedersehen mit Eva Pelagia und den geheimen Fieberthermometerhalter – fiel ihm ein ehrliches Kompliment nicht schwer, was die fortschreitende Arbeit an der Begrünung der sichtbaren Welt betraf. „Gute Arbeit, Herr Lenz! Da hat sich doch was getan! Ein Vergleich sei gestattet. Und danke auch für die pelzwärmenden Strahlen! Und daß man den kalten Wind abgedreht hat!“ Herr Lenz vernahm dies alles nicht, denn er war gerade damit beschäftigt, die Kastanien zum Blühen zu bewegen und Hände voller nasenkitzelnder Blütenpollen in die Luft zu werfen. Hatschi! “Gesundheit.” Von drinnen rief man nach Archibald.
Wladimir Anatol Karamasow und Yogi „Yellowstone“ Parkinson baten zum Abschiedsgetränk. Über das gefangene Volk der Ursae minores auf den Schrank sprach man nicht. Yogi konnte sich eh nicht mehr daran erinnern und das sensible Herz des mächtigen Wladimir brauchte Schonung. Die Stimmung war eine gelassene. Kein Austausch von Adressen, keine Versicherung eines Gegenbesuches und sinnlose Beteuerungen, man werde gewiß den Kontakt weiter pflegen. Da ist der Bär zum einen Solitär, zum anderen Realist und die freundlichen Lügen und Sentimentalitäten der Aufrechtgeher sind ihm fremd. Das Bier des schwarzen Waldes mundete und Archibald bettete sich zur letzten Nacht. Ein letztes Mal streckte er die Faust grüßend Richtung Schrank. „Genossen! Ihr habt nichts zu verlieren außer Eure Ketten! Venceremos!“ Vor dem Fenstern rauschte die Dreisam ein Gute-Nacht-Lied. Wo würde sein Bärenhaupt morgen ruhen? “Heute ruht hier keiner!” Der alte Recke aus Kamschatka bei Wyoming namens Wladimir Anatol Karamasow sprach ein Machtwort und zeigte in Richtung Fenster. Ein voller Mond beleuchtete die Nacht. Drei Bären hatten dann doch noch einiges zu besprechen. Und sie huldigten der Badischen Staatsbrauerei.