Beiträge vom 7. März 2011

EIN BÄR VERMISST DAS MEER

Montag, 7. März 2011 23:51

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Ruhe war eingekehrt in der Höhle. Eva Pelagia war, wie jeden Morgen, früh aus dem Hause gegangen. Wenn der Turm der Stadtkirche läutet, ruft ihr Büro. Einige Stunden später hatte sich auch Ernst Albert auf den Weg gemacht. Am Abend sollte am hiesigen Musentempel für ihn ein neues Projekt beginnen. Wohlgemerkt am Abend des hilligen Rusemondaach, wie die Kölschen sagen. Heftige Verwünschungen ausstoßend, aber durchaus gutgelaunt, da ihm zur Zeit das Leben recht viel Spaß macht, polterte er das Treppenhaus hinunter und hielt einen Vortrag darüber, daß es wohl nur wenige gäbe, die das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden könnten und daran kranke der gesamte Erdball und was weiß der Teufel alles. „Mit wem redet der eigentlich gerade?“, dachte sich Archibald Mahler, der auf einem mittelhessischen Küchentisch unter karnevalistischem Wurfmaterial begraben saß und – gezwungenermaßen – gerade dabei war seinen Winterschlaf zu beenden. Doch was soll`s! Der Bär genießt die eingetretene Stille.

Der Blick eines Erwachenden richtet sich naturgemäß erst mal zurück. Entgegen aller Versprechungen der Werbung und entgegen all der Sprachhülsen von Motivationstrainern, Politikern und Kulturmanagern schaut man am Beginn eines neuen Vorhabens nicht schwungvoll in die aufgehende Sonne, sondern zuerst hirnverknotet und desorientiert nach hinten, um festzustellen, ob der Mond noch über einem steht, diese oder jene Nacht noch dunkelt und überhaupt. Dies tut auch und gerade ein Bär. Wo kam er her? Wohin hatten seine Augen geblickt, bevor sie sich für lange Wochen und Monate geschlossen hatten? Was klebte ihm noch am Fell? Und da riecht er es:  Spuren von Salzkristallen. (Wer sich letztes Jahr ab und zu mit des Bären besonderen Fähigkeiten auseinandergesetzt hat, weiß um die phänomenale Empfindlichkeit einer Bärennase! Wer nicht, klicke sich durch die Archive rechter Hand! Schönen Gruß vom Setzer!) Und was spürt er auf der Haut unter seinem Fell? Reste von Sand. Algenstücke. Woher? Warum? Langsam setzt sich ein Bild zusammen, doch bevor es vor seinem inneren Auge auf die Mattscheibe des erwachenden Bewußtseins geworfen wird, trifft der Stich das Bärenherz. Ein Bär vermißt das Meer.

Die Strandkörbe, die Fischbrötchen, die Schiffe und der Wind, der sein Fell mit Sand und Salz mariniert hatte. Und der Blick einmal um die Welt und wieder zurück. Das hatte er sehr gemocht, damals, bevor ihm die Augen zufielen. Dort hatte er eigentlich auch wieder aufwachen wollen. Der Blick hinaus auf kabbelnde Wasser. Er seufzt. Auch davon wird man etwas wacher. Sein Blick fällt auf eine der vielen, vielen Postkarten, die Ernst Albert von seinen Arbeitsausflügen nach Hause geschickt hatte. Archibald sieht darauf Schiffe, große Schiffe und ein klein wenig Meer. Das tröstet. Und das wiederum macht noch ein Stückchen wacher. Im Hintergrund hört er den Lütten Stan jubeln. „Ja lüch ich denn. Dat Bärenviech iss sich die Ehre seiner neuerlichen Präzenz am Geben tun. Hömma, wat Du am verpassen warst in Deine winterliche Rekreationsphase! Neunzehn Punkte Vorsprung auffen bajuwarischen Comedyclub! Glaub ich dat woll?“ Gut zu hören und dies macht natürlich noch etwas präsenter – äh – wacher! Archibald beschließt einen nächsten Schritt zu tun. Er atmet ein, er atmet aus, kratzt sich am Pöter – wie gehabt – und sagt: „Na also.“ Die Jungs sind wieder in der Stadt.

Thema: Back in Town | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

ARCHIBALD MAHLER KRIEGT EIN KAMEL AN DEN KOPF UND WACHT AUF

Montag, 7. März 2011 10:33

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Was singt da der ehrenwerte Herr Albert die ganze Zeit vor sich hin? Ein Lied, welches davon erzählt, daß am Fastenabend Kamele auf die Stadt mit dem schönsten Dom Deutschlands – Quatsch! -  der ganzen Welt niederregnen? Archibald Mahler, eigentlich noch gar nicht wieder vorhandener Bär, Meditierkünstler und Weltenschauer begreift nicht, aber spürt eine Art von Erwachen. Das Ende seines Winterschlafes war auf den Aschermittwoch 2011 datiert worden und da Herrn Archibald Mahler durchaus ein Hang zur Genauigkeit und Pünktlichkeit innewohnt, waren er und sein noch schlafender Leib selbstverständlich gewillt nach Plan vorzugehen. Unverhofft kommt aber oft. Kölle Alaaf!

Der Rosenmontag ist der erste und heiligste Feiertag der Menschen in der Stadt mit dem Dom, der selbstverständlich in der Stadt bleiben muß, denn was soll er denn woanders, das hat ja keinen Sinn. Ernst Albert hatte lange Jahre dort mit Freuden und Freunden gelebt, daselbst seine Ausbildung zum Musentempler gemacht und auch sonst die ein oder andere Nacht zum Glühen gebracht. Und er hat, nach sachkundiger Einführung durch Eingeborene, auch die lokalen Feiertage gerne und ausgiebig durchlebt. Es ist schon lange her, daß Ernst Albert diese Stadt am Rhein verlassen hat, aber wenn dort oben die Trommeln wieder schlagen und die Jecken durch die Strassen ziehen, packt ihn eine Sehnsucht nach diesen Feierlichkeiten und er brabbelt pünktlich zum Startschuß elfuhrelf am Wieverfastelovend den Dialekt der Kölschen vor sich hin und singt eben auch gerne eines der vielen, vielen Lieder, die an diesen Tagen durch die Strassen, Säle und Kneipen schallen. Textsicher übrigens,  wie sonst in keiner Stadt des Landes. Und ausdauernd. Es wird behauptet, Ernst Albert habe dies sogar unlängst während der Abschlußfeier seiner Musentempelarbeit oben an der Kieler Förde getan. Weia! Minsche Alaaf!

Das alles kann Archibald natürlich nicht wissen, denn die Beziehung von Bären zum Kölner Karneval ist noch nicht eindeutig erforscht oder geklärt worden. Jedenfalls findet sich der verschlafene Bär auf dem Küchentisch der Höhle in der kleinen häßlichen Stadt in Mittelhessen wieder und Kamele regnen auf ihn nieder. Durch das Küchenfenster strahlt eine kaiserliche Sonne. Ernst Albert und die teure Eva Pelagia hatten den Narrenumzug der Mittelhessen besucht, ein bißchen fade das alles, aber ein paar kleine Licher und Sunneschingk im Hätze, dann geht das auch in dieser Stadt. Und Kamele aka Kamelle aka Süßigkeiten wurden auch hier unters Volk geworfen. Und wer unter uns kein Jäger und Sammler ist, der werfe die erste Kamelle! Nun präsentierte man Archibald die reiche Ausbeute. Auch galt es Herrn Alberts Heimkehr zu feiern. Vier Monate sind eine lange Zeit. Und dann wurde noch das ein oder andere Lied skandiert und noch ein bißchen Getränk zu sich genommen. Wie heißt es doch so schön: „Drink doch ene mit, stell Dich nit so an, Du stehst he die janze Zick heröm, häste auch kein Jeld, dat ess janz egal, drink doch ein und kömmer Dich nit dröm!“ Leeve Alaaf!

Thema: Back in Town | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth