Beiträge vom 18. März 2011

ERST KOMMT DAS FRESSEN, DANN IST MAN SATT!

Freitag, 18. März 2011 16:58

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Der gemeine Aufrechtgeher betrachtet sich ja gerne als eine Art von 1. FC Bayern München unter allen Geschöpfen, welche den Planet Erde mehr oder weniger freiwillig bevölkern. Selbst wenn die Kakerlake, der gemeine Schnittlauch oder die südelsässische Weinbergschnecke durchaus ernstzunehmende und zukunftsträchtige Überlebenskonzepte entworfen oder gar in die Tat umgesetzt haben, das Gen rummenniga hoenensis semper mirsanmira geht davon aus, daß es bis ans Ende aller Tage nur eine Nummer Eins geben kann, wird und überhaupt: Den Aufrechtgeher. Und sollten sich in den ewigen Tabellen mal irgendwelche Verschiebungen ergeben haben, die den ursprünglichen göttlichen Entwurf konterkarieren durch etwas was man nennen mag: den Einbruch der Realität – hängt man die Tabelle einfach andersrum an die Küchenwand. Und da in der Küche gerne mal gegessen wird, hat der heute sehr hungrige Herr Archibald Mahler, Bär in den Zweigen eines ihm unbekannten Baumes (Pflanzenbestimmungsbuch vergessen, menno!) in einem Steinbruch über Dorlar, gerade mal eben wieder die Kurve gekriegt zu dem, über was er heute eigentlich nachdenken wollte.

Der Bär sitzt in den Zweigen. Leckere Weidenkätzchen. Kann man fressen. Frißt der Bär auch. Süß, ein bißchen staubig im Abgang, faserig, aber mit Zahnzwischenraumbürsten kriegt man das Gebiß wieder auf Vordermann. Der Aufrechtgeher ist empört. Junges Leben wächst! Der Lenz, der Frühling, die blauen Bänder! Was da noch draus werden kann! Wie kann man nur in junge Triebe beißen? Dem Bären wurscht. Hunger und nach dem Winterschlaf braucht der Leib Grünfutter. Reinigung. Darmspülung. Fertig. Empörung in Freiburg – St.Georgen! Bald sind Wahlen! Dann werdet Ihr sehen! Politisch korrekt wird gedroht. Der Bär kaut. Er ist in keiner Partei. Halt! Natürlich ist er in einer Partei. Die Partei heißt: Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz. Frag Ernst Alberts Vater – falls er noch leben würde – was der im Zweiten Weltkrieg alles gegessen hat. Essen mußte. Wohlgenährte Aufrechtgeher protestieren. Alleinerziehende Mütter halten ihre Kinder weinend in die Luft. Das junge Leben! Böse, diese Welt, so böse! Archibald Mahler weiß, daß man auf Pferden reiten kann. Aber wer einmal im Leben einen original rheinischen Sauerbraten verzehrt hat, der nun mal traditionsgemäß vom Pääd aka Ross aka Schindmähre stammt, weiß das diese Tiere nicht nur dazu dienen Indianer von Nord – nach Süddakota zu tragen und jungen Maiden ihre ersten Ähem. Schweige, Bär! Hunde? Schlangen? Krokodileier? Niemals und nie mehr wieder!  Vor den Alnaturamärkten wird hyperventiliert. Selbst Frau Merkel ist doch seit gestern bekennende Vegetarierin. Brennesselsuppe und Tang-Omlett, Bohnensouflee und Rotkrautkuchen. Was interessiert mich mein dämliches Geschwätz von vorvorgestern?

Jetzt wird verdaut. Archibald wird eins, eins mit dem Baum und der Schalk fährt ihm in die wiedererstarkten Glieder. „Was, säße ich nicht nur im Baume, was, wäre ich ein Teil – Quatsch und Pöterkratzen! – bin ich der Baum? Was, zöge ich dieses Jahr aus die Aufrechtgeher zu necken und zu schrecken und die ein oder andre Gemeinheit auszuhecken? Fühlt Euch nicht zu wohl unter Euren kunstseidenen Decken! Potzrembel und Vivat die Überzwercherei!“ Unten am Fuße des Baumes ein kleines englischsprechendes Maanderl. „May I please introduce myself? My name is Jack-in-the-Green!“ Archibald stutzt. Aus den Tiefen seiner verdauenden Eingeweide steigt eine Erinnerung. Spricht dort gar ein entfernter Verwandter? Eine dieser mystischen Gestalten, die in den letzten Wochen damit beschäftigt waren dem Herrn Iwan Heribert Wintersen einen beherzten Pötertritt zu verpassen, um ihn zu veranlassen sich vom jetzt zu bestellenden Acker zu machen? Ein Strohbär gar? Archibalds Traditionsherz jubelt und spricht. „Herzlich Willkommen in Mittelhessen! Mein Name ist Archibald Mahler, der Bär, der sich erinnert. Mister Green, wollen wir dem Winter gemeinsam eine Abfuhr erteilen? Was meinen Sie?“ „Das ist eine blendende Idee, ist es nicht?“ Und dann singen die zwei gemeinsam ein kleines Lied. Die Töne einer Querflöte brechen sich an den Wänden des Steinbruchs.

Thema: Thoughts From The Woods | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth