ARCHIBALD M. UND DIE ENTLEHNUNGEN
„Von Kamelle befreit sind Tisch und Fell
Durch der Scheibe schlierig verstaubtes Glas,
Sieh, narrenleere Straßen. Zu Ende der Spaß.
Der alte Winter, nicht allzu schnell
Zog sich in rauhe Berge zurück
Und rumpelt dort ein letztes Drohen.
Ein Sofa ist des Bären Glück.
Auf roter Lehn, vor weißer Wand,
Die Nase von der Sonn geleckt
Wacht auf ein Geist und denkt sich was,
Ein neues Jahr hat er entdeckt.
Zufrieden jauchzt er, atmet ein:
Hier bin ich Bär, hier darf ichs sein!“
Archibald Mahler hat sich aufs rote Sofa gesetzt. Wenn die Sonne scheint und der Baum vor dem Fenster noch nicht wieder vollständig beblattet ist, ist das hier ein kostenfreies Sonnenstudio. Zwischen elf und zwölf am Morgen. Genau das, was ein verpennter Denkbär braucht. Und was gibt es Schöneres als ein neues Jahr mit einem eigenständig handgedachten Poem zu begrüßen?
Ernst Albert stürmt in den Raum. „Geht das auch was dezenter?“, murmelt der Bär. Wieder wedelt Herr Albert mit einer Zeitung. Soll ihn das jetzt das ganze Jahr über begleiten, die wedelnde Printmedie? Archibald Mahler kräuselt die sonnenwarme Stirn. „Plagiate! Quellen! Fußnoten!“ Der Bär versteht kein Wort. „Der Bärenartikel von Mittwoch. Wer? Wo? Wann? Quellenangabe!“ Ernst Albert entdeckt das Jahresbegrüßungsgedicht seines kleinen Haus – und Höhlenreimers. Entsetzen. Hände schlagen über dem Haupt zusammen. Luft vibriert. „Man entlehnt! Man entlehnt dreist beim heiligen Geheimrat! Bei allen Musen dieses Erdenballes! Kaum erwacht, schon fremdgedacht!“ Reuig neigt der Bär das Haupt, jedoch sich keiner Schuld bewußt. Ernst Albert berichtet, was der Herr Mahler verschlafen. Die wundersame Geschichte von Ken und Barbie zu Guttenberg – Bismarck, welche so gerne König und Königin geworden wären, aber zu eitel waren, um so klug zu sein, sich nicht beim Bescheißen erwischen zu lassen. Von Kohorten von zukünftigen Untertanen und Speicheltrinkern, die ihre Steuerhinterziehereien, Rechtsüberholereien und sonstigen Linkereien durch den Herrn Baron und seine spendenhinterziehende Begleitpuppe im Lichte allzumenschlichem Märtyrertums gespiegelt sehen wollen. Und von schuhschwenkenden Intelligenzlern, die ihre eigenen Doktorarbeiten vielleicht doch noch einmal durchsehen sollten. Könnte ja sein?
Was das jetzt bedeute für einen Bär auf einem roten Sofa, möchte Archibald Mahler, momentan perplexer Bär vom Brandplatz, von seinem Chef und Aufrechtgeher wissen. „Alle Entlehnungen angeben, kapiert!“ Und rauscht ab der Herr. In den Musentempel. „Fängt ja gut an, dieser Berg von Jahr!“ Aber da seine geistige Integrität ihm am Herzen liegt, vermerkt der Bär folgendes: Die Erkenntnisse des Aschermittwochs über den Winterschlaf sind hier entlehnt und was kursiv im Poeme oben, hat der ehrenwerte und hochgeschätzte Geheimrat gedichtet! Weia! George Harrison hilf!