Archibald bricht auf
Einst als Indien noch Teil des British Empire war und die Aufrechtgeher keine Lust mehr verspürten, auf dem Rücken von Pferden, Eseln und Kamelen durch die Wüste oder das wilde Kurdistan zu reiten und also das Automobil erfanden, wurde dort im fernen Kalkutta ein Sadhu – so nennt man die Heiligen Männer des Landes – von einem britischen Governor zu einer kleinen Testfahrt in einem neu erworbenen Benzingefährt eingeladen. Der Heilige Mann nahm Platz, bat jedoch nach etwa zwei Kilometern Fahrt den Chauffeur die Knatterkiste zu stoppen, stieg aus, setzte sich an den Straßenrand und begann zu meditieren. Als man ihn dann fragte, warum er dies tue, antwortete er: „Mein lieber Freund, ich warte auf meine Seele. Sie ist nicht so schnell wie Euer Gefährt. Sie kommt nach.“
So ähnlich fühlte sich nun Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz. Er sollte verreisen, unter seinem Bärenhintern würden sich zum ersten Male Eisenstangen und daran befestigte Scheiben in Bewegung setzen. Gewiß, er hatte die Geschichte seiner Vorfahren noch nicht in Gänze studiert, aber eines wußte er: Bären auf Rädern gibt es nicht und zum Fischen und Beerensammeln ging man schon immer zu Fuß. Das hält schlank und beweglich an Kopf und Bein. Wurde ihm also schon wieder Gewalt angetan, wie einst im Monat März? Nein, denn das muß man Ernst Albert diesmal lassen, er hatte – auch nachdem Eva Pelagia ihr Einverständnis signalisiert hatte – den Bären in aller Form gefragt, ob er Interesse an einem mehrwöchigen Ausflug in den Süden und in seine, Ernst Alberts, alte Heimat habe. Und da Bären zwar faul, aber auch extrem neugierig sind und Ernst Albert gemurmelt hatte, es gäbe da draußen durchaus Orte, die etwas sehenswerter seien als die kleine häßliche Stadt und man fahre ja schließlich nicht nach Friesland, hatte der Bär gebrummt, zustimmend. Seine Aufregung jedoch konnte er nicht verbergen, keine Spur der so gerne von den Zweibeinern kolportierten Bärenruhe. So reichte Ernst Albert dem Bärenviech ein altes, vergilbtes und mehrfach geflicktes Buch, zur Beruhigung und Anregung.
Das Buch roch nach Strassen, Schienen, Meilen, Getränken und Musik. Archibald steckte seine Nase in die Buchstabensuppe und es begann: „Ich hatte gerade eine schwere Krankheit überstanden, die ich nicht weiter erwähnen will, höchstens daß sie etwas mit einer scheußlich deprimierenden Trennung zu tun hatte und mit meinem Gefühl, alles sei tot. Mit dem Auftauchen von Dean Moriarty begann der Teil meines Lebens, den man mein Leben auf den Straßen nennen könnte. Ich hatte vorher schon oft davon geträumt…“ Die Blätter des zerlesenen und bekritzelten Buches raschelten und rauschten an Archibalds Nase vorbei und ein Zug verließ die kleine häßliche Stadt. Ciao! Zahnbürste nicht vergessen! Ciao! Ciao!