VOM HÜBSCHEN FEBRUARMÄDCHEN UND DER MILCHBLÜTE UND VON ARCHIBALD
Wenn man so viel und so schnell und so viel und das auch noch schnell gleichzeitig denkt, obwohl man gerade erst aus dem Winterschlaf erwacht ist und sich sofort wieder an den Welten reibt und schubbert und flucht und hadert und träumt und tanzt und was noch nicht alles, muß man seinen Arzt und Apotheker fragen wegen all der Nebenwirkungen des beschleunigten Hirnens und vergißt wahrscheinlich beim Überschreiten der Apothekenladeneingangsstufe, was man eigentlich und warum. „Was wollte ich sagen?“ Archibald Mahler hat das Gefühl zum Demenzbär zu mutieren. Selber schuld! „Siga, siga!“ Mister Jack–in-the–Green kann sogar griechisch. „Mister Ursus mittelhassonia, ich glaube Ihnen sagen zu müssen, wenn Sie freundlichst erlauben, daß eine Tasse heißen Wassers mit etwas Kräutersud versetzt auch Ihnen durchaus wohltuende Dienste erweisen könnte, ist es nicht?“ Der Bär protestiert aufs Heftigste. Herr Mahler und eine Teetasse? Undenkbar, unfaßbar, ehrabschneidend, fatal. Mister Jack-in-the–Green bewahrt britisch kontenant den Überblick. „Dann riechen Sie sich gelassen, mein Freund. Soll doch Ihre Nase von weltberühmter Sensibilität sein, ist es nicht?“ Es wird vernehmlich gemurrt und am Pöter gekratzt. Ein Gentleman wertet dies als Zeichen der Zustimmung. „Galantamin! Wenn diese Bemerkung mir erlaubt sei, bewege er das, worauf er zur Zeit noch sitzt. Die Götter winken den Aktiven, ist es nicht?“
Oben am Rande des Steinbruchs: der Wald von Kinzenbach. Da sitzt er, der Archibald Mahler, dem gerade eine Kurzkur verordnet wurde. Kleine weiße Krankenschwestern umrahmen ihn. Sie haben Namen: Milchblume, Hübsches Februar-Mädchen, Lichtmeß-Glöckchen, Lichtmeß-Glocken, Marienkerzen, Weißglatze, Schnee-Durchstecher, Weiße Jungfrau. Aber eigentlich heißen sie alle Galanthus, also die Milchblüte. Und noch eigentlicher Schneeglöckchen. Und der Bär findet, daß das die schönsten Blumen überhaupt sind. Das ist ihm gerade eingefallen. Weil er heftig eingeatmet hat. „Galantamin! Die reine Weltarznei! Das ist ja fast so eine Art Bärenkokain. Das pustet die Hirnwindungen. Stop! Wir wollten ja langsam machen!“ Mister Jack–in–the–Green meldet sich zu Wort. „Entschuldigen Sie, wenn der Ratgeber in mir das Ruder ergreift, doch ich sehe mich genötigt folgenden Hinweis zu zitieren: ‚Mögliche Vergiftungssymptome: Es kommt zu vermehrtem Speichelfluß, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Gelegentlich werden Kreislaufstörungen mit Schweißausbruch und Benommenheit beobachtet.’ Vielleicht übertrieben, doch beachtenswert, ist es nicht?“ Archibald zieht die Nase aus den Kelchen. Zu spät!
Ein wildes Lied jagt ihm durch die Ohren. Er versteht wenig vom dem was der wilde Sänger und Flötenspieler da erzählen will, der Flötenspieler und Sänger der, so scheint es, von einer gnadenlosen Gitarre vorwärts getrieben wird. Dann kehrt Ruhe ein. Ach holde Vermeintlichkeit! Schon wieder dengelt der Gitarrenmann sein Plektrum gnadenlos über die Saiten und der Flötenmann steht auf einem Bein. Fällt der gleich um? Und Archibald Mahler schwant das, wenn er dieses Jahr weiterhin auf diese Welt blicken will, die offensichtlich zur Zeit in größter Konfusion um die Sonne trudelt, noch einiges zu erwarten ist. Wohlan denn mein Hirn und gesunde! Aber eines ist sicher: Schneeglöckchen findet Archibald Mahler einfach nur großartig! Dann dreht er sich um. „Warum liegen da unzählige Blechmilbenreifen auf einem unschuldigen Acker?“